Leumond
Februar 2004

Die Botschaft der Orchidee


Christel Helzle-Götting



Marla quälte sich kurz vor neun aus dem Bett. Sie fühlte sich immer noch ganz gerädert von ihrer Migräne gestern. Jetzt erst mal in aller Ruhe frühstücken. Sie ging in die Küche und presste zuerst zwei Blutorangen aus und steckte zwei Scheiben Toast in den Toaster. Die Zeitung musste sie noch reinholen. Wie jeden Tag breitete sich wieder die Panik in ihr aus, dass sie eines Tages aus der Zeitung von seiner Verhaftung oder gar von seinem Tod erfahren würde. Doch die aufregendsten Meldungen der letzten Tage hatten sich um das Briefkastensterben gedreht.
Als sie die Tür öffnete und die Zeitung auf ihrer Fußmatte sah, schlug ihr plötzlich das Herz bis zum Hals: da lag eine Orchidee auf der Zeitung. Sie wusste sofort was das bedeutete. Schnell ging sie in die Küche und schlug mit zitternden Händen die Kleinanzeigen auf. Da war sie: "antikes Schaukelpferd zu verkaufen. 0170/512777"
5 stand für den vereinbarten Treffpunkt, 12 war die Uhrzeit und 777 bedeutete, dass er sie mitnehmen konnte, wenn sie ihn noch wollte.
Das Frühstück fiel aus, sie trank nur schnell den Saft und verschwand dann im Schlafzimmer um ihre Sachen zu packen. Vor lauter Aufregung packte sie dauernd ein und aus. Um halb zwölf packte sie den Koffer, so wie er gerade war, ins Auto und fuhr los.
Sie wusste die Strecke genau: Sie musste das Kohlekraftwerk umfahren und dann rechts ab. Nach ungefähr zwei Kilometern würde rechts ein Waldweg Richtung Oerbach abgehen. Dort würde er auf sie warten. Endlich würde sie ihn wiedersehen. Selbstverständlich würde sie mitgehen wo immer er hinginge. Nie wieder wollte sie von ihm getrennt sein.
Da stand er und wie immer wenn sie ihn sah hatte sie das Gefühl, als würde er von innen heraus leuchten. Sie sprang aus dem Wagen und warf sich in seine Arme. "Endlich!" flüsterte sie nur und versank dann in seinen Küssen und Umarmungen. Aber schon nach kürzester Zeit flüsterte er: "Sie werden bald hier sein. Was wirst du tun, Liebste?"
"Ich werd' natürlich mitgehen, mein leuchtender Engel, was denkst du? Wohin auch immer du gehst."
"Bist du dir wirklich ganz sicher? Du wirst nie mehr zurück können in dein Leben. Alles wird fremd für dich sein." Zärtlich und besorgt schaute er sie an mit seinen goldenen Augen.
"Du wirst da sein, das genügt mir. Aber was werden deine Leute zu unserer Verbindung sagen?"
"Sie wird daran höchstens interessieren, ob sie fruchtbar ist. So etwas wie Liebe ist unserer Kultur fremd. Das hab ich erst bei dir gelernt. Also wenn du wirklich entschlossen bist, dann komm mit."
Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu einer Lichtung im Wald.
"Hier werden wir abgeholt?" fragte sie zweifelnd. Keine Straße, nicht einmal ein größerer Weg führte hierher.
"Ja genau hier und genau jetzt, schau.", antwortete er, als ein summendes Geräusch ertönte. Über den Wipfeln der Bäume tauchte plötzlich eine glänzende Kuppel auf. Dann stand es genau oberhalb der Lichtung. Marla starrte das UFO mit offenem Mund an. "Willst du jetzt immer noch mit mir kommen?" rief er, das Summen übertönend. Marla nickte entschlossen. Da hob er die Hand. An dem UFO öffnete sich eine Luke und fuhr als Plattform zu ihnen herab. Darauf stand ein glänzender Roboter, der sie in einer fremden Sprache begrüßte. "Es geht nachhause D735", erwiderte er nur, als er Hand in Hand mit ihr auf die Plattform trat und sie verschwanden zusammen in dem Raumschiff.

Diese Geschichte widme ich meinem besten Freund, Holger Stahlmann, ohne den wahrscheinlich nie jemand etwas von mir zu lesen bekommen hätte.


Ich bin Ingenieurin und Mutter von drei Kindern und schreibe gern die Geschichten auf, die mir zufliegen.