Leumond
Dezember 2004

Wildfang


Harald Stangor



Er hat genug von vorsichtigen Fingern,
von Schmollmund und von blauem Augenschein;
genug von den verschämten jungen Dingern,
so neugierig, verletzlich, klinisch rein.


Nein, es ist Zeit für das erhoffte große Beben,
das ihn aus seinen leicht gekrümmten Bahnen stößt,
ihm einen Blick spendiert aufs einzig wahre Leben,
die Warteschleife öffnet und auch ihn erlöst.

Und er erwartet es, er hofft und wartet,
und hofft und wartet und ist sehr bereit,
bereit, dass er in der Sekunde startet,
denn es wird sicher allerhöchste Zeit.


Und nebenbei ist er zum reifen Mann gewachsen -
gebebt hat nichts. Es kam nichts, nichts kam von allein.
Nun macht er wieder seine jungenhaften Faxen
vor zarten Mädchen, selbst verschämt, so spät zu sein.

Harald Stangor geht einem höchst bürgerlichen Beruf nach und dilettiert in freien Minuten in Prosa, Lyrik und Drama, mit besonderer Vorliebe auf Kabarettbühnen.