Leumond
Oktober 2004

Das Dorffest


Elfriede Herold



Es gingen sehr viele Gläubige nach der 9 Uhr 30 Messe, “der Deutschen Messe” von Franz Schubert, zur nahegelegenen Pfarrwiese nächst Pfarrhaus, wo der Pfarrer Johannes Wiespointner schon 3 Krügerln Bier geleert, auf seine Gäste wartete. Hier hatten fünf starke Burschen den Maibaum aufgestellt.
Heute wurde ein besonderes Fest gefeiert. Nach der Renovierung der alten Kirche war eine neue Kirchturmuhr mit römischen Ziffern und das güldene Kreuz ganz oben befestigt worden. Die Pfarrkirche, dem St. Laurentius geweiht, hatte schon viele Taufen, Hochzeiten und auch Beerdigungen gesehen. Der erste Abt aus dieser Gegend wurde hier gleich beim Eingang des schmiedeeisernen Tores begraben. Man schrieb das Jahr 985 n. Chr.
Auf der Wiese nächst dem Pfarrhaus waren Sitzbänke und Tische aufgestellt. Es gab gebratene Schweine-Stelzen von vorne und hinten, Sauerkraut, Hendln gegrillt, Brot und Ketchup, Grillwürste und allerlei Gutes, woran sich der Gaumen erfreut. Die Tische bogen sich beinahe vor lauter geschmackanregenden Waren. Es wurde entsprechend gefressen und gesoffen. Der Bürgermeister durfte freilich auch nicht fehlen. Alle ließen es sich gut gehen. Einer spie das ganze Hendl wieder aus dem Schlund dem Anderen ins Genick. So ging`s mit Pauken und Trompeten Stund um Stund dem Nachmittag der sechzehnten Stunde entgegen.
Wiespointner und sein Freund Hemetsberger, der reiche Gastronom und Großgrundbesitzer, konnten vor Lachen nur die dicken Bäuche halten, als der arme Bauer Karl Gross daherkam. Dünn, ausgemergelt, chronisch krank, näherte sich der übermütigen Gesellschaft und wollte auch ein wenig mitfeiern. Fast die ganze Gemeinde lachte über ihn. Sein Äußeres sprach ja nicht gerade für ihn – das linke Auge hing herunter, schiefe Nase, wegstehende Ohren – auch in seiner Schulzeit deswegen gehänselt.
„He, Karli, magst auch ein Bratwürsterl? Wird sicher noch eines da sein – aber warum kommst` denn so spät? Hast viel im Stall mit deinen Kühen z´tun g´habt, was? Wie gehts denn deiner Mutter? Hast sie ned mitbracht?“ So scherzten, jolten sie und hielten sich die Bäuche. Manch einer hatte schon acht Krügerl geleert .... auch mehr.
Auf einmal griff sich der Hemetsberger auf seine linke Brustseite, röchelte, sagte noch „Göttin Fortuna hilf“, verdrehte die Augen. Aus seinem Lästermaul quoll Schaum und Blut, er fiel vorn über den Tisch. Bestürzt eilte seine Schwester Liesl Brunnbauer herbei, erst seit Kurzem verwitwet, drehte ihren Bruder auf die Seite, er rührte sich nicht. Auch wenn Gemeindearzt Dr. Caretta zugegen gewesen wäre, er hätte für ihn nichts mehr tun können Die Liesl fühlte den Puls ihres Bruders und rief: „Na, Bruder, hast denn wieder so viel gess´n und so viel trunken? Diese ewige Völlerei hat dir jetzt das Leben gekostet. Naa!“
Die Musik hatte aufgehört zu spielen. Pfarrer Johannes Wiespointner betete zu Gott, dass dieser ihn gnädigst in den Himmel aufnehmen möge. Dann noch drei „Vater unser“, zwei „gegrüßet seist du Maria voll der Gnade“
Es hatte angefangen zu regnen, die meisten eilten zu ihren Autos. Natürlich hatte niemand mit dem plötzlichen Ableben eines so beliebten „Restaurantbesitzers“ an so einem Tag gerechnet.
Selbst der kranke Karl Gross hatte ein Gebet für den Verstorbenen übrig, als er mit dem Sarg vom Dorfplatz in das schwarze Auto getragen wurde.

Das Dorffest habe ich vor einiger Zeit im Urlaub am Attersee verfasst.
An einem Sonntag fand die Einweihung des neuen Kirchturmkreuzes statt - Anschließend wurde vis a vis zu einem Dorffest geladen, die Musik spielte auf und für Speis und Trank wurde reichlich gesorgt. Durch diese Beobachtung wurde ich zu diesem Text angeregt.


Schreibe Kurzprosa, Lyrik, Schmunzelgeschichten, Fabeln, Märchen, Kurzkrimis, experimentelle Prosa. Meine Lieblingautoren: Marie von Ebner-Eschenbach, Josef Freiherr von Eichendorff, Nikolaus Lenau. In der Musik gehören zu meinen bevorzugten Komponisten: Emmerich Kalman, Giuseppe Verdi, Ludwig van Beethoven, W.A. Mozart.