Leumond
Juli 2004

Ein göttlicher Dialog


Mathies Gräske



H = Hubert, ein Gott aus einer benachbarten Galaxie
G = Gott, wohlbekannter "Herrscher" über unser Sein, unter anderem für die "Schöpfung" verantwortlich

Prolog


Gott lehnt über ein Blatt Papier. Hubert versucht ständig, einen Blick auf das Papier zu werfen

H: Worüber denkst du denn nach, Gott?
G [abwesend]: Ach, lass mich. Ich muss mich konzentrieren!
H: Das sagst du nun schon seit Tagen! Nun sag mir endlich, was du da machst.

Gott denkt kurz nach und dreht sich endlich um

G: Also gut. Ich versuche, eine Geschichte zu schreiben.
H: Tatsächlich? Worum geht es denn?
G: Also, in der Geschichte soll es um einen Elefantengott gehen. Und der ist besonders beliebt in... Lass mich kurz nachdenken... Indien. Und dort wird er verehrt, weil er Geld und Ruhm verspricht, und...
H [unterbrechend]: 'Tschuldige, aber die Geschichte gibt es schon. Und die Leute in Indien...
G [widersprechend]: Nein, nein, nein! Jetzt mach' mir meine Geschichte nicht madig. Ich habe so lange an ihr gearbeitet. So. Wo war ich stehengebleiben? Du bringst mich ganz aus dem Konzept!
H [leicht entnervt]: Du warst in Indien und so.

Gott wendet sich wieder seinem Text zu und wirkt erneut konzentriert

H: Sag' mal: Für wen machst du das?
G [uninteressiert aufschauend]: Die Geschichte schreibe ich für so ein eigenartiges Magazin... irgendwas mit L... Lauwarm, Leuwurm... Nein: Leumond. Bescheuerter Name. Was soll das denn sein, ein Leumond?
H: Sei doch nicht so einfallslos. Das ist halt so ein Mond mit 'nem Löwen 'drauf.
G: Kein Wunder, dass die seit ihrer Gründung noch kein Logo gefunden haben. Ich wäre für eine Umbenennung.
H: Ganz recht! Wer soll denn da noch die Homepage richtig eintippen.
G: Naja. Aber immerhin bekommen die genug Material zusammen, um alle zwei Monate eine neue Ausgabe herauszubringen.
H: Alle zwei Monate? Das soll gut sein?
G: Und dann haben die ja auch ab und zu einen Schreibwettbewerb! Da machen richtig viele Leute mit!
H: Soso.
G: Naja.
H: Du widerholst dich!
G: Gar nicht!... Naja.
H: Was: Naja?
G: Ach, ich weiß auch nicht...
H [aufgebracht]: Ich geh' gleich wieder. Ich glaube, du hast wirklich etwas zu lange an deiner Geschichte gesessen. Kannst ja mal deine Elefanten ausrümpeln...
G: Ach, das mit dem Elefantengott war gar nicht ernst gemeint. In Wirklichkeit schreibe ich etwas zum Thema "Ein Stück von Welt".
H: Komischer deutsch. Und?
G: Naja, also...
H [unterbrechend]: Mein Gott, jetzt hör aber mal mit dem "naja" auf. Das kann keiner ertragen!

I


G: Also, ich habe, wie bereits angesprochen, vor einem Jahr mit der Geschichte angefangen. Ich wollte etwas über Australien schreiben. Um mir einen Eindruck zu verschaffen, habe ich Australien aus der Erde herausgerissen. Aber daraufhin ist die Erde etwas... aus dem Gleichgewicht geraten. Also habe ich Australien ganz schnell zurückgetan.
H: Wie dumm muss mein eigentlich sein? Kein Wunder, dass immerhin 5% aller Erdlinge nicht an dich glauben. Machst du öfter solche Sachen? Ich habe gehört, dass deine Menschlinge ganz schön desillusioniert sind, weil ihr trauriges Leben nur durch Alkohol und andere Drogen zu ertragen ist.
G: Ach, bleib du mal ganz ruhig. Du hast deine Atmosphäre durch eine halluzinogene Droge ersetzt. Deine Wesen machen seitdem keinen Tentakel mehr krumm.
H: Aber wenigstens sind sie glücklich!
G: Toll! Aber zurück zur Geschichte. Da ich nun auf die Untersuchung von Australien auf dem normalen Weg verzichten musste, habe ich eine neue Taktik gewählt. Ich habe mich in einen Stier verwandelt und bin mit einer jungen Frau zu einer einsamen Insel geschwommen, wo ich dann... Ups, falscher Film. Ich habe in letzter Zeit zuviel über Zeus gelesen.
H [zuweifelnd schaut]: Ah... ja.
G: Nun, ich habe mich in einen Basketballer verwandelt und bin durch Australien gewandert. Das hat mich bereits drei Viertel des Jahres gekostet. Und die meiste Zeit war verschwendet. Nur Wüste. Als ich in Melbourne ankam, habe ich mir erstmal eine Landkarte gekauft, auf der ich nun sehen konnte, welche Route ich genommen habe. Daraufhin habe ich einen Wutanfall bekommen und habe Präsident Bush seine letzten zwei Gehirnzellen genommen. Wenn ihn jetzt jemand etwas fragt, dann antwortet er nicht mehr mit einer Umformulierung der gestellten Frage ('Warum glauben Sie, dass es im Irak gefährliche Waffen gab?' - 'Weil es da gefährliche Waffen gab!'), sondern sagt nur noch "deshalb".
Dann habe ich Osama noch ein paar tausend Dollar zukommen lassen, so wie in den letzten Jahren auch.
H [sich an die Stirn fasst]: Du kannst doch Osama kein Geld geben!
G: Wieso? Er hat mir hoch und heiligst versprochen, dass er das Geld gut anlegt. Und nebenbei hat er immer so komisch falsch herum geniest (*djihad*). Ich habe mir dabei aber nichts gedacht...
Aber zurück zur Geschichte. Ich war also in Melbourne. Und obwohl es da grüner war, konnte ich mit Australien insgesamt nichts anfangen. Und dann habe ich ein Konzert von dieser Kylie Minogue gesehen... Nach 15 Minuten war ich verschwunden und bin nach Europa gereist.

II


H: Und?
G: Ich war ja schon eine ganze Weile nicht mehr da. Zuletzt habe ich den König von England in der Schlacht von Hastings im Jahre 1066 beobachtet. Damals haben sich alle gegenseitig in Stücke gehackt. Aber anstatt klüger zu werden, scheint den Europäern der letzte Rest Verstand entlaufen zu sein. Aus welchen Gründen auch immer finden diese Barbaren es extrem interessant, 22 Typen beim Balltreten zuzuschauen. "Fußball" nennen die das. Und wenn der Ball in ein kleines Netz rollt, weinen ganz viele, und alle anderen freuen sich... Ich versteh' die Europäer nicht.
H: Klingt wirklich ganz schön absurd.
G: Du kannst dir also vorstellen, wie enttäuscht ich war. So schnell ich konnte, verließ ich Europa, und bin in die USA gereist. Asien wollte ich gar nicht erst sehen. In den USA halte ich mich immer noch am meisten auf. Aber Geschichten kann ich dort nicht schreiben. Die Leute dort sind mir zu konservativ-imperialistisch.
H: Und was ist dann aus deiner Geschichte geworden?
G: Tja... Die ist natürlich nicht geschrieben. Und weil bald Einsendeschluss ist, wollte ich noch etwas Nettes schreiben, aber mir fehlt die Inspiration...
H: Hmmm... Da ist wohl nichts zu machen. Dann muss Leumond wohl ohne deine Geschichte auskommen.
G: Du hast wohl Recht. Mir fällt nichts mehr ein. Sollen die sich doch selbst etwas aus den Fingern saugen.
H [unterstützend]: Das ist die richtige Einstellung! Du machst dir viel zu viele Sorgen um diese Menschlein. Eigentlich musst du nur verhindern, dass sie sich selbst auslöschen. Alles andere soll sich von selbst klären.
G: Das sagst du so leicht. Der kalte Krieg - um ein Beispiel zu nennen - war gar nicht kalt. Ständig musste ich diese idiotischen Nuklearwaffen abfangen.
H: Und... ähh... Japan?
G: Japan? Was ist das denn?
H [kopfschüttelnd]: Ach, schon gut. Ich muss jetzt gehen und ein paar neue Halluzinogene an meinen Wesen ausprobieren.
G: Mach das! Viel Spaß!
H: Tschau! Und mach kei... weniger Dummheiten!

Hubert fliegt davon und Gott schaut im Vorbeischweben nachdenklich die Erde an.

ENDE

Mathies, hauptberuflich als Programmierer tätig, wohnt seit ein paar Jahren mit seiner Lebensgefährtin in Bremen, werkelt regelmäßig am Leumond und verfasst von Zeit zu Zeit Texte.