Leumond
Mai 2005

Die Falle


Thilo Bachmann



In New York fährt der dunkelhäutige Polizist Robert Bingham mit seinem Auto langsam durch den Stadtteil Bronx. Es ist 11 Uhr nachts, einige Lokale haben bis 3 Uhr früh geöffnet. Missmutig beobachtet er scharf die vor dem »Tiffany«, eine verrufene Kneipe, herumlungernden jungen Burschen und Mädchen. In dieser Gegend hat Robert Bingham schon ein paar mal Dealer festnehmen müssen, er war jedes Mal recht gut getarnt, denn er kann in andere Rollen schlüpfen ohne dabei erkannt zu werden. Zweimal war er wie ein heroinsüchtiger Obdachloser mit einer durchlöcherten bis zum Knie abgerissenen Jeans und speckigem langen Oberhemd verkleidet und hatte dann blitzschnell zugeschlagen, als ihm Dealer das gewisse weiße Heroin gegen harte Dollar überreichen wollten.
Gelangweilt fährt er in Schrittgeschwindigkeit zum nächsten Lokal. Er hat sein Autoradio eingeschaltet; halblaut ertönt einschläfernde, eintönige Countrymusik, aber sie gefällt ihm. Heute ist Mr. Bingham nicht verkleidet, aber auch nicht im Dienst und trägt zivil. Er parkt in einer finsteren Seitengasse, schlägt lässig beim Aussteigen die Autotür zu, das Radio spielt weiter die für ihn beruhigende Musik. Er geht mit großen Schritten an ein paar ängstlich dreinschauenden, jungen Negern vorbei und betritt das »Jamaica«. Er ist dort nicht unbekannt, der Barkeeper sieht ihn erstaunt an - hier gab es schon ein, zwei Razzien. Auf der Tanzfläche tummeln sich eine Menge Paare nach einem langsam spielenden Rockjazz. Bingham nickt dem Barkeeper zu und beobachtet gerade einen Tänzer, der seiner Partnerin verstohlen ein Päckchen, vermutlich Heroin, in ihre Brusttasche schiebt. Bingham hat auf so etwas Ähnliches gewartet und nähert sich den beiden lässig, greift dem Mann auf die Schulter, dieser dreht sich rasch um. Der Polizist fragt ihn was er da in die Brusttasche seiner Tanzpartnerin geschoben hat. Der Mann hat begriffen und will ihm einen Kinnhaken versetzen, aber Bingham kommt ihm zuvor, mit festem Griff dreht er ihm die Arme auf den Rücken, die Handschellen klicken. Bingham meint grinsend: »Wir kennen uns bereits, Freundchen, bei der letzten Razzia konnten wir dir nichts Faules nachweisen, aber diesmal bist du dran. Ich werde dafür sorgen, dass du für lange Zeit hinter Gitter kommst. Und Sie, junge Frau, können uns auch gleich begleiten. Sie werden, wenn es das erste Mal ist, vielleicht glimpflich davonkommen. Nun, das wird der Untersuchungsrichter entscheiden.«
Mit hassverzerrten Mienen lassen sie sich abführen. Beim nächsten mal werden sie sich besser vorsehen müssen, oder sie führen ein sorgenärmeres Leben so wie die meisten, mit geregelter Arbeit. Wie wäre es damit, ein Leben ohne ständig Gefahr zu laufen eingebuchtet zu werden?

Thilo schreibt außer den hier aufgeführten Geschichten gerne Kurzkrimis, Weihnachtsgeschichten, Gedichte und Essays. Zudem ist er Hobbypianist. Seine Lieblingsautoren sind: Dostojewsky und Gustav Freytag