Leumond
Mai 2005

Nicht aus dem Sinn


(Nach der Loreley am Rhein)


Elfriede Herold



Manchmal bin ich traurig und weiß nicht, was es bedeutet; es kommt mir ein Märchen aus uralten Zeiten nimmermehr aus dem Sinn. Es erzählt' mir mein Vater - gar manchmal war's wie ein Traum.....
Es ist schon lange her, seit jenem Tage im Abendland am Rhein als jener noch nicht reguliert ward - in der Nähe von Bingen oben ganz oben am Felsen eine schöne Jungfrau sitzet mit engem Korsett und dünnem Kleid. Die Luft ward schon kühl, es dunkelte bereits - aber ein schmales Band der Abendsonne gab dem Fischer, der mit seinem Boote hinunter zum ruhig fließenden Rhein gekommen war - die Sicht zum Felsen frei. Karpfen, Forellen, Schleien, die Beute lag in dem kleinen Schiffe in einem Trog, als er, Gerhard von Liechtenstein zum letzten Mal an diesem Tage das Netz einzog.
Nun hörte er eine wundersame Melodei, gar lieblich gesungen und Loreley kämmte ihr goldenes Haar mit goldenem Kamm. Den Fischer ergreift ein wildes Weh' und Verlangen, nicht denkt er an sein Weib mit fünf Kindern.
Sie singt das Lied und lockt, welch' Mannesherz kann da widerstehen. Gebannt sieht Gerhard hinauf zur Loreley - er schaut nur zum Felsen, wo die blonde Jungfrau ihr Haar kämmt und dabei singt. Der arme Fischer sieht nicht die Felsenriffe. »Komm doch zu mir herauf, ich erwarte dich«, ist das Letzte, was unser Gerhard noch hört; dann zerschellt der Kahn.
Niemand hat es leid getan. Da verschlingen schon gierig die Wellen am Ende Fischer und Kahn. Dem Fischer im Bottich hat's wohl getan. Wieder in ihr Element zurückgekehrt.
Die Mär' von der Geschicht', trau einem fremden lockenden Weibe nicht. Zumal du, Mann, ein treues Weib zu Hause mit Kindern hast.
Traurig weint heute noch Gerhard's Weib in den Armen eines Anderen.

Schreibe Kurzprosa, Lyrik, Schmunzelgeschichten, Fabeln, Märchen, Kurzkrimis, experimentelle Prosa. Meine Lieblingautoren: Marie von Ebner-Eschenbach, Josef Freiherr von Eichendorff, Nikolaus Lenau. In der Musik gehören zu meinen bevorzugten Komponisten: Emmerich Kalman, Giuseppe Verdi, Ludwig van Beethoven, W.A. Mozart.