Leumond
Februar 2005

Landstreicherleben


Elfriede Herold



Ein opulentes Mahl hinter sich gelassen. Bier vom besten Zapfhahn. Ein Rülpsen, nochmals und Kotzen was geht, dick, gedrungen, Visage gerötet - a larer Sock steht ned. Des nachts Bretter der Bank - jetzt Hollabrunn, sich draufgelegt, im Park ist`s schön grün.
Er schnarcht sich den Rausch aus - wider Willen begegnet er im Traum seiner Ex mit trübem Blick. Sie lächelt sogar, will ihn umarmen. Doch er liebt schon lang' das Leben am Land als Streicher. Er ein Bettler oder Clochard. Mal gewesen - Oberbuchhalter bei Stölzle. Geschliffenes Glas liebte er auch. Die Flat im 9.Bezirk von Viennoise gibt's nicht mehr, ein Bezirk mit Nobless. Dreht die Bank um sich oder er auf der Bank - die Socken stinken, auch die Schuhe - das Maul ohne Zähne. Wasser ist zum waschen da. Divallerie - divallera - auch zum Zähne putzen kann man es benutzen. Wir haben das beste Wasser der Welt. Nun, stundenlang im Grün reinigt die Lunge, die Leber zerrost sich von selbst.
Was tun am nächsten Tag? Das Binkerl nehmen, wo Zahnbürste, alte durchlöcherte Socken, ein Schlüssel vom damaligen Auto, ein paar Lumpen, Schlapfen, die verhatscht, schmutzige Hemden und sonstige Klamotten von Motten zerfressen - Portemonnaie est vide. Ja, die Gestalt des Streichers ohne Land streicht fest am Land umher, sucht täglich was andere geschmissen. Er steht mit den Füßen auf`m Boden, kann aber nicht mehr Fuß fassen; richtet sich auf, den Binkel genommen und schreitet dahin. Er macht sich selbst Mut. Ein altes Mutterl spricht er an, sie hört ja schlecht. Beim dritten Mal erst versteht sie, was er will.
"Ach, liebe Frau, brauch` eine Bleibe für die Nacht, vielleicht auch länger. Ich helf` im Haus - auch im Garten. Sei gütig, ich wird`s dir danken." "Was, was, hab` so schon keinen Platz. Mein Hund, die vielen Katzen, die leiden keine Fremden." "Habt Erbarmen, gutes Mutterl. Bin ehrlich, brauch nicht viel und werde auch die Katzen füttern." "Ich hab` keine Zeit, lass mich vorbei." "Bei Pallas Athene und der Muse Kalliope, ich fleh` Euch an. Ich helf` Euch im Haus, füttere den Hund und kehr` die Stube..."
"Wenn du es sagst und du dein Wort hältst. Wenn aber nicht jagd dich der Hund aus meinem Hause fort." "Habt Dank, gute Frau. Ich heiße Rasputin und komme von weit her." "Schon gut, schon gut. Ein Stück des Weges ist es noch." Sie gehen schweigend durch die Gassen und Straßen bis sie aus der Stadt in einen Vorort den Platz zur Kirche überqueren. Alte Kastanienbäume spenden Schatten. Sie lassen sich auf einer grün gestrichenen Bank nieder. Amalie nimmt von ihrem Rucksack ein Jausenbrot mit Speck und reicht es Rasputin. Er bedankt sich bei Amalie, blickt ihr voll in die Augen.
Graue, klar blickende Augen, die ihren Glanz noch nicht verloren; Die Falten im Gesicht sieht er nicht. "Was ist`s für ein Hund? Ein Labrador, deutscher Schäfer, Dobermann oder gar amerikanischer Staffordshire?"
"Naja, es ist ein Mischling zwischen Hasky und Schäfer; ein guter, treuer Hund. Er folgt nur mir." - Inzwischen hat auch Amalie ihr Jausenbrot verzehrt, wäscht sich am nahen Brunnen die Hände und ihr Gesicht. Sie deutet auch Rasputin er solle es ihr nachmachen. Dieser lacht anfangs, kommt herbei, zieht die zerschlissene Jacke aus und benetzt lange Zeit Gesicht und Hände mit Wasser. Ein paar neugierige Krähen verscheucht er, bespritzt sie mit Wasser. Dann lacht er wieder.
Nun macht Amalie Rasputin klar, dass sie kurz in die Kirche hineinblicken will; Den Rucksack lässt sie auf der Bank stehen. Rasputin setzt sich daneben; Er blickt auf die Blätter eines alten Kastanienbaumes, der vor Kurzem erst die Kastanien verloren hat.
Nach etwa zehn Minuten kommt Amalie aus der Kirche zu dem Platz, den die beiden vor einer Stunde aufgesucht haben. Sie meint, ob er nicht auch Lust habe ein wenig in die Kirche zu schauen und zu beten. Er lehnt aber entschieden ab und sagt, er sei schon sehr lange nicht mehr in einer Kirche gewesen. Amalie nickt und sagt: "Vielleicht ein andermal."
Amalie und Rasputin lassen die Kirche links liegen und gehen einen schmalen Pfad hinan, rechts an einem Kornfeld vorbei. Davor gedeihen Wegwarte.
"Wir sind gleich da", sagt die Alte. "Es ist das letzte Haus am Waldrand. Nun sucht sie einen Schlüsselbund hervor, sperrt die Haustüre auf, betritt das Haus - macht eine einladende Geste zu ihrem Begleiter. Dann sagt sie: "Am Dach ist ein Zimmer wohl ordentlich und sauber. Vor Kurzem war erst mein Bruder da, er bleibt meist vierzehn Tage..... Am Montag abends fuhr er wieder heim zu seiner Frau."
Rasputin wird zuerst scharf vom Hund Amaliens angebellt, aber er redet sanft auf Oliver ein bis dieser sich ihm nähert, mit dem Schwanz wedelt und an Rasputins Schuhen schnuppert. "Er scheint dich zu mögen", stellt Amalie fest. "Da gib ihm den Rest vom Jausenspeck", sagt Amalie. Sie wirft Rasputin ein Packerl zu. Dieser öffnet es geschwind und gibt Oliver zu fressen.

Schreibe Kurzprosa, Lyrik, Schmunzelgeschichten, Fabeln, Märchen, Kurzkrimis, experimentelle Prosa. Meine Lieblingautoren: Marie von Ebner-Eschenbach, Josef Freiherr von Eichendorff, Nikolaus Lenau. In der Musik gehören zu meinen bevorzugten Komponisten: Emmerich Kalman, Giuseppe Verdi, Ludwig van Beethoven, W.A. Mozart.