Leumond
Februar 2005

Lesereise


Harald Stangor



Nun, zugegeben, ich verbring
Mein Leben auf dem Sofa.
Die längste Fahrt nach außerhalb
War, notfalls, nach Hannover.

Das heißt ja nicht, ich reis nicht gern,
Ich brauch nur keine Strecken.
Ich kehr schon durch die eigne Tür
Zurück zu Lust und Schrecken.

Ich hab das alles wohl sortiert
An eigenen zehn Wänden.
In Badewanne und Salon
Halt ich die Welt in Händen.

Da ist der schönste Mensch der Zeit
In Buchstaben gekleidet,
Und Hässlichkeit wird ihm geschenkt,
Um die man ihn beneidet.

Da ist die Liebe, wie sie stirbt,
Und nebenbei wächst neue.
Ein Opfer, das die Rache treibt,
Mein Neid, und: Ich bereue.

Da seh ich Hochglanzwelten, weiß:
Nur Übles kann passieren.
Und in Kloaken kann man sich,
Doch auch sein Herz verlieren.

Da hört ich schon den letzten Schrei
An lauter leisen Orten
Und stand in Dschungeln ohne Bach
Und rang mit Welt und Worten.

Da überkreuzen sich drei Hiers
Mit acht Vergangenheiten
Und sieben Ganzwoandersse
Begleiten mich zu Zeiten.

So kann das allerkleinste Buch
Mich ungeahnt verstören:
Ein Wort, das mich in Wahrheit drängt,
Ich will's, und will's nicht hören.

Im Liegen seh ich Welten, die
Entstanden und versanken.
Was will man mehr? Wozu hinaus?
Man reist gut in Gedanken.

Harald Stangor geht einem höchst bürgerlichen Beruf nach und dilettiert in freien Minuten in Prosa, Lyrik und Drama, mit besonderer Vorliebe auf Kabarettbühnen.