Das beste Gespräch seit Jahren
Ein mäßig dramatischer Einakter, notiert von
Harald Stangor
- Personen: ein passabel gewachsener Astronaut in einem angemessenen Raumanzug ein mittelgroßer Löwe, letztlich nackt
- Ort: Wir befinden uns auf der Rückseite des Mondes, wie üblich.
- Zeit: Schwer zu sagen; die Prankenuhr des Löwen ist funkgesteuert und funktioniert hier nicht besonders gut, und der Astronaut ist ein wenig schusselig und hat seine Taucheruhr heute Morgen auf dem Frühstückstisch liegen lassen. Da er es gerade eben erst bemerkt und sich sofort dazu entschieden hat, deswegen nicht extra zurückzufliegen, kann er die genaue Sternzeit nur raten. Tatsächlich meint er, es könnte der 14. Juli 1789 sein, gegen Mittag, was in mehreren Details relativ korrekturbedürftig ist.
Der Astronaut bewegt sich in einem seltsam hüpfenden Gang über ein ansonsten brachliegendes Stück Mond, wobei er ständig unzusammenhängende Phrasen murmelt, für den Fall, dass jemand vom Sternenspiegel um eine Ecke kommen und ihn interviewen sollte, was seinerseits eine ziemlich unsinnige Hoffnung ist.
Astronaut | Dies ist ein kleiner Schritt für eine solch pludrige Hose… Die Feinde meiner Feinde sind auch meine Feinde… Wir haben nichts zu fürchten außer der Furcht - und natürlich die Laserwaffen der Schmocks… Ich sitze hier auf meinem Stern und singe blöde Liebeslieder… |
Löwe | schlendert um die Ecke; er hat kein Pressehütchen auf, teils, weil das modisch ziemlich out ist, teils, weil er nicht zur Presse gehört. Guten Aaabend. Tatsächlich ist die Tageszeit mehr geraten; es fehlen gute Anhaltspunkte für eine derartige Entscheidung. |
Astronaut | Huach - Gott, haben Sie mich erschrocken. |
Löwe | Erschreckt. |
Astronaut | Was? |
Löwe | Erschreckt. Ich habe Sie erschreckt, Sie haben sich erschrocken. |
Astronaut | nach kurzer Überlegung… Was? |
Löwe | Simple Grammatik. |
Astronaut | Gott, sind Sie ein Klugscheißer. Sie… Sie Tiger, Sie. |
Löwe | Knapp daneben. Das sind die mit den Streifen. |
Astronaut | Nein, das sind Leoparden. So einen habe ich als zwei Pyjamahosen. |
Löwe | seufzt Das sind die mit den Flecken. |
Astronaut | Was wissen Sie über meine Pyjamahosen? In der Ferne ein Tusch. |
Löwe | heult auf, obwohl das eher eine Hyänendomäne ist Was sind Sie denn für einer - Bob Hope? |
Astronaut | Wer? |
Löwe | seufzt Herr im Himmel… Was machen Sie eigentlich auf dem Mond? Sie sind doch wohl so eine Art Mensch und gehören mehr oder weniger gar nicht hierher. |
Astronaut | Das könnte ich Sie ja wohl genauso fragen. Was macht ein Tiger auf dem Mond? |
Löwe | seufzt Schauen Sie mich an - sehen Sie Streifen? |
Astronaut | Das ist doch irgendwie eine Fangfrage, oder? Wenn Sie Streifen hätten, würde ich Sie ja beim Verkehr übergehen. |
Löwe | zögert - Sie reden ziemlich wirr. Funktioniert Ihre Sauerstoffzufuhr? |
Astronaut | grinst, weil er sich irrtümlich für den Herrn der Lage hält Zebrastreifen, verstehen Sie? |
Löwe | recht ernsthaft Ich fürchte, ich habe beim Verkehrsunterricht gefehlt. Wir hatten an der Uni mehr Seminare wie: "Einführung in Darwinismus I: Fressen und gefressen werden". Ersatzweise konnte man den Schein auch in "Diskutieren mit Unterlegenen: Vegetarier für Anfänger" machen. Mann, waren die am Ende angefressen. |
Astronaut | Können wir zur Sache kommen? Ich fürchte, wir verlieren gerade rapide Zuschauer. |
Löwe | Ich kann ja mal brüllen, um Action vorzutäuschen. |
Astronaut | Gute Idee. So ein Tigerbrüllen ist ganz schön beeindruckend. |
Löwe | seufzt achselzuckend und brüllt sehr kräftig, aber völlig unhörbar |
Astronaut | Da war nichts. |
Löwe | Klar, wir sind ja auch im luftleeren Raum. Da gibt es auch keine Schallwellen. |
Astronaut | Ach ja. |
Löwe | schweigt |
Astronaut | schweigt auch |
Löwe | Eigentlich macht das das ganze Gespräch hinfällig, wenn man darüber nachdenkt. |
Astronaut | Na, dann lassen wir das doch einfach. |
Löwe | Stimmt, war ohnehin ein blödes Gespräch. |
Astronaut | Nein, ich meinte das Denken. |
Löwe | Oder so. |
Astronaut | hält ihm die Hand hin Mein Name ist übrigens Bond. James Bond. |
Löwe | Glaub ich nicht. |
Astronaut | Man wird doch wohl träumen dürfen. |
Löwe | Und ich… Sie können mich Leo nennen. |
Astronaut | Ungewöhnlich, für einen Tiger. |
Löwe | Jetzt, wo Sie es sagen… Und wie kommen Sie hierher? |
Astronaut | Wir erforschen das All und suchen einen Planeten, auf dem wir nicht all die Probleme haben wie auf der Erde. Vielleicht ziehen wir dann um oder so. Auf dem Mond gibt es keine Massenarbeitslosigkeit und keinen Terrorismus und keinen… |
Löwe | … Sauerstoff… |
Astronaut | Kein Problem, ich habe mehrere Flaschen dabei. |
Löwe | Na, dann… Allerdings ist der Mond kein Planet, streng genommen. |
Astronaut | Habe ich schon gesagt, dass Sie ein Klugscheißer sind? |
Löwe | sieht oben nach Ja, ziemlich am Anfang. |
Astronaut | Dann ist ja gut. - Und was machen Sie so den ganzen Tag? |
Löwe | leicht ironisch Rumtigern, was sonst? |
Astronaut | Haben Sie vielleicht ein kleines Fass um den Hals? |
Löwe | Das sind Bernhardiner. Lassen Sie sich mal eine Ausgabe von Brehms Tierleben verschreiben, das ist ja nicht auszuhalten. Sieht nach: Ein Zuschauer noch, den kriegen wir auch noch weg. |
Astronaut | Und wie sind Sie so auf den Mond gekommen? |
Löwe | Ich wurde beim Studentenaustausch gelinkt. Sie haben sicher davon gehört - "Yeti in die Serengeti, Zebra nach Naskebra". |
Astronaut | Naskebra? |
Löwe | Eigentlich Nebraska, aber das hätte sich nicht gereimt. Jedenfalls nicht so gut. Na ja, für Juli hätte es gereicht. |
Astronaut | Und Sie wollten… |
Löwe | In eine durchschnittliche Mondfamilie herzig-boviner Prägung. Ein Mondkalb wohnt seitdem in meiner WG. |
Astronaut | Aber das klingt doch gut. |
Löwe | Als ich ankam, waren die ältlichen Eltern, ansonsten rinderlos und so von jeglicher Verantwortung entbunden, einfach nach Florida aufgebrochen, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Hier fand ich nur einen Zettel vor: Essen steht im Herd, kommen nicht zurück, liebe Grüße, Jack und Jill. |
Astronaut | Das ist aber eine üble Geschichte. |
Löwe | Aber ziemlich gut erzählt. Ich hatte Zeit zum Üben. |
Astronaut | Und wann kommt der Flug zurück? |
Löwe | Es ist kein Stier mehr hier. Da kehrt doch das Mondkalb nicht freiwillig wieder. Das macht sich schön vor meinem Fernseher breit und spielt Skat mit meinen Löwenfreunden. |
Astronaut | Oder die haben es längst gefressen. |
Löwe | nachdenklich - Oder so. |
Astronaut | Und ohne Partner werden Sie nicht zurückgebracht? |
Löwe | Quid pro quo. - Sie allerdings sind unabhängig, Sie könnten mich mitnehmen. |
Astronaut | Sorry, aber es gibt ziemlich strenge Regeln gegen die Mitnahme von Kleintieren. Von wegen Quarantäne und so. Und ich hab das passende Formular auch gar nicht dabei. Ich fürchte, Sie müssen hier bleiben und auf ein offenes Herz warten. |
Löwe | Verdammt, das ganze Grundstudium für nichts und wieder nichts. Da ist man nun Bachelor, Magister fast… hat Atomphysik und Mikrobiologie durchaus studiert mit heißer Müh… |
Astronaut | nickt Brotlos. Handwerker hätte man werden sollen. Das hat goldenen Boden. |
Löwe | Da nimmt einen doch keiner, so als Löwe. |
Astronaut | He - ich habe gerade eine Art Idee! |
Löwe | Selbst gemacht? |
Astronaut | Sie könnten sich doch einfach als Astronaut ausgeben. In einem Raumanzug mittlerer Größe merkt doch kein Mensch den Unterschied, solange Sie den Helm aufbehalten. |
Löwe | ironisch Klasse. Und wo soll ich bitte einen Raumanzug mittlerer Größe herbekommen? |
Astronaut | kratzt sich nachdenklich, aber stumm am Helm |
Löwe | legt den Kopf auf die Seite, als käme ihm gerade eine Idee Moment mal… |
Astronaut | Bitte? |
An dieser Stelle fällt der Vorhang, so dass das Ende für den Zuschauer völlig offen bleibt. Nur ein dicklicher Schatten, der nach Minuten absoluter Stille, die im Weltall nicht weiter auffällt, hinter dem Vorhang auftaucht, deutet darauf hin, dass der Astronaut sich in einem seltsamen Gang über ein ansonsten brachliegendes Stück Mond bewegt, wobei er kein Wort sagt, was insofern unauffällig ist, als sich ja kein anderer Schatten mehr als Gesprächspartner anbietet.
Warnhinweis: Der Text ist in einzelnen Punkten wissenschaftlich nicht ganz korrekt, was etwa die Darstellung physikalischer Verhältnisse angeht (Atmosphäre und dergleichen). Außerdem können Löwen im wirklichen Leben nicht reden. Das habe ich nur so geschrieben, weil sich dieses Kurzdrama ohne Dialog auf eine Darstellung nach Art des letzten Abendmahls verkürzen würde, und das gibt es ja schon.
Harald Stangor geht einem höchst bürgerlichen Beruf nach und dilettiert in freien Minuten in Prosa, Lyrik und Drama, mit besonderer Vorliebe auf Kabarettbühnen.